Mein Kind ist schwerhörig

„Mein Kind hört nicht!“ Für die meisten Eltern bedeutet dieser Satz, dass ihr Kind sie ignoriert, weil es lieber spielen will. Für 500.000 Familien allein in Deutschland bedeutet dies aber tatsächlich, dass ihr Kind schwerhörig ist. Ungefähr eines von tausend Neugeborenen in Deutschland kommt mit einer mittel- bis hochgradigen Hörschädigung zur Welt. Eine Risikoschwangerschaft, Infektionen der Mutter, wie zum Beispiel Röteln oder die Einnahme von Medikamenten während der Schwangerschaft können Gründe dafür sein.

Gutes Hören in der Kindesentwicklung

Für die Entwicklung, vor allem die Sprachentwicklung, ist gutes Hören sehr wichtig. Bereits im Mutterleib hören wir. Schon vor der Geburt können Kinder Stimmen wie die der Mutter und des Vaters erkennen und unterscheiden. Fehlt ihnen dieser Sinn oder ist er gemindert, haben sie ein Defizit und einen ungleich schwierigeren Start ins Leben. Deswegen wurde ein Hörtest bei der Früherkennungsuntersuchung U1 und 2016 zudem bei U8 eingeführt. Denn Kinder lernen schnell, eine Hörminderung zu kompensieren und damit auch zu verstecken! Sie lernen, die Physiognomie, die Gebärden und andere Signale zu lesen. Noch heute, trotz der U-Untersuchungen, werden Hörminderungen ab und an zu spät erkannt. Beispielsweise erst im Schulalter, wenn Kinder wegen Unkonzentriertheit auffallen. Zu dem Zeitpunkt sollte die wichtigste Phase der Sprachentwicklung bereits abgeschlossen sein - ein Defizit, dass kaum mehr aufzuholen ist. Gutes Hören bedeutet zudem Genuss, Lebensqualität und Sicherheit. Hört Ihr Kind nicht gut, überhört es Warnsignale und herannahende Gefahren. Besonders im Straßenverkehr ist gutes Hören eine Lebensversicherung.

"Eine Hörsystemversorgung ist bereits in den ersten Lebenswochen möglich"

Etwa ein bis zwei von 1.000 Neugeborenen kommen mit einer Hörstörung auf die Welt. Dank moderner Hörsysteme, die Pädakustiker selbst den kleinsten Patienten anpassen, können Kinder mit Schwerhörigkeit ein fast normales Leben führen und sich gesund entwickeln. „In Deutschland werden im Jahr etwa zwischen 1.500 und 2.500 Kinder mit einer Hörschädigung geboren, bei rund 200 davon ist sie einseitig“, sagt Hörakustikmeister Eberhard Schmidt aus Regensburg, selbst erfahrener Pädakustiker. "Auch postnatal, durch Neugeborenengelbsucht, Virusinfektionen wie Mumps oder Masern, oder durch eine Mittelohrentzündung kann das Gehör von Babys geschädigt werden." Der Hörsinn ist jedoch essentiell für die Entwicklung des Kindes und Voraussetzung für das Erlernen der Lautsprache. Nur wenn das Kind gut hört, kann es verschiedene Laute voneinander unterscheiden, richtig zuordnen und wiedergeben. „Gerade im Säuglings- und Kindesalter, wenn grundlegende kommunikative und soziale Fähigkeiten des Menschen angelegt werden", sagt Schmidt,  „ist jeder Monat kostbar und eine Früherkennung wichtig. Denn nur dann kann eine Korrektur mittels Hörsystem vorgenommen werden. Möglich ist das bereits in den ersten Lebenswochen des Säuglings." Dafür sind die Pädakustiker, also die Hörakustiker für die kleinsten Patienten, speziell ausgebildet.


Eltern sind die besten "Detektoren"

Auch die Eltern sind dabei gefragt: Zeigt das Baby beziehungsweise Kleinkind keine Lidbewegung bei lauten Geräuschen, wendet es sich nicht zur Schallquelle oder gibt es nur wenige oder monotone Töne von sich, können das erste Anzeichen einer Schwerhörigkeit sein. Dann sollte das Gehör umgehend untersucht werden. Später sind es Anzeichen wie undeutliches Sprechen, Konzentrationsschwierigkeiten und ein "dünnes Fell", also eine niedrige Reizschwelle. Betroffene Kinder meiden oft Gruppen und ziehen sich "in eine stille Ecke" zurück. Auf andere wirken sie oft trotzig und unkommunikativ. Nicht selten wird ein Kind als "schwierig" bezeichnet - dabei hört es einfach nicht gut. Nicht gut zu hören bedeutet, bestimmt Töne und Laute nicht wahrnehmen zu können. Fehlen dem Kind beispielsweise die hohen Frequenzen, kann es Buchstaben wie S und F nicht hören und sein Gehirn fängt an zu raten: Hat Mama mir ein Ei oder ein Eis angeboten? Zeigt sie mir ein Haus oder eine Maus? Diese doppelte Gehirnleistung lässt das Kind schnell ermüden. Es geht Situationen aus dem Weg, zieht sich zurück, ist schnell gereizt, überfordert und wirkt auf andere verschlossen und trotzig.


Pädakustiker helfen

Pädakustiker sind Hörakustiker für die kleinsten Patienten. In Deutschland gibt es derzeit rund 1.000 Pädakustiker, die sich auf Schwerhörigkeit bei Kindern spezialisiert haben. Sie werden am Campus Hörakustik in Lübeck ausgebildet und verfügen über fundierte Kenntnisse und Fertigkeiten rund um das kindliche Ohr. Da sich die Untersuchung eines Babys oder Kindes deutlich von der eines Erwachsenen unterscheidet, ist Fachwissen gefragt. Denn ein Baby oder Kleinkind kann noch keine angemessene Rückmeldung geben, die den Grad der Schwerhörigkeit eindeutig zuordnen ließe. Auch die Anpassung des individuellen Hörsystems und die Betreuung des Kindes und der Familie sind Aufgaben des Pädakustikers. Da Eltern das Verhalten ihres Kindes im Alltag am besten beobachten und einordnen können, werden sie neben dem kleinen Patienten aktiv in die Versorgung eingebunden. Ist das Kind gut versorgt, steht der Entdeckung seiner Welt nichts mehr im Wege.